aktualisiert am 2016-04-02

Antichristliche Generalprobe


Wo GOTT verdrängt wird, erklimmen Geister aller Art dessen leer gewordenen Thron. Ein Vakuum ist nicht möglich, das bestätigt die Geschichte zur Genüge. Darum in ihr immer wieder geradezu dämonisierte Epochen, zu denen massiv die gegenwärtige zählt. Die hat im christianisierten Europa den göttlichen Vater und Sohn frevlerisch aus ihrem Gesichtsfeld verbannt und pervertiert systematisch alle bis dato gültigen Grundordnungen. Wenn der Apostel Paulus in Philipper 2,15 von einem „verdrehten und verkehrten Geschlecht" schreibt, trifft diese Bewertung wie maßgenau auf das jetzt existierende zu. Homosexualität und Lesbentum beispielsweise werden bereits vom mosaischen Gesetz und dem ersten Kapitel des Römerbriefs als sexuelle Verirrungen gebrandmarkt. An denen gingen antike Hochkulturen wie die der Griechen mit zugrunde. Jetzt aber können sich im Land der Reformation Mann mit Mann und Frau mit Frau am Standesamt ehegleich registrieren lassen und sogar Kinder adoptieren - was es so noch nie gegeben hat. Da hat die jetzige Generation rigoros eine Verbotstafel beseitigt, vor der alle bisherigen noch Distanz bewahrten.
Dazu in rational unbegreiflichem Widerspruch, wie der verstorbene „Pontifex Maximus" aus Polen mit überschwänglichsten Ovationen überschüttet wurde - obwohl der unzweideutig gegen solche Praktiken Stellung bezog. Dasselbe trifft auf den jetzt amtierenden aus Marktl am Inn zu, der die Begeisterungsstürme seines Vorgängers geerbt zu haben scheint. Und der ist in sittlicher Hinsicht auch unnachgiebig konservativ. Dennoch betitelte „Die Welt" anläßlich des Kölner Großereignisses das Konterfei des Vatikanobersten mit „Einfach göttlich". Und Berlins größte Zeitung „B.Z." fasste ihre Schlagzeile zur selben Veranstaltung mit „Papa cool" ebenfalls in zwei Worte und setzte ergänzend dazu: „Deutschlands Jugend bejubelt Benedikt XVI. verzückt wie einen Popstar". Sogar ultralinke Postillen wollten da nicht zurückstehen. So verquickte „die tageszeitung" den frenetischen Rummel mit ihrem atheistischen Bekenntnis: „Wenn Gott das noch erlebt hätte”. Einer wird also querbeet auf den Schild gehoben, obwohl dessen Moralvorstellungen eigentlich unter den Antidiskriminierungsparagraphen fallen.
Dass stockliberale Protestanten wie EKD-Chef Huber und Co. dieselbe Gespaltenheit an den Tag legen, war zu erwarten. Die sind zwar ethisch aufgeweicht wie ein Moor nach Hochwasser, schwimmen aber im Strom des Zeitgeistes und dienern sich dem ganz anders gelagerten Vatikanobersten dennoch ergeben an. Die „Evangelikaien" hingegen befinden sich mit ihm in sittlicher Hinsicht weithin in Deckungsgleichheit, hätten aber wegen Marienkult, Reliquienverehrung und Heiligenunwesen Grund zu gehöriger Distanz. Doch auch hier Beifall bis Entzücken. So bewertete Pastor Ulrich Ruß als Vorsitzender der „Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands" den Papstbesuch als „Gewinn für alle Christen". Und nach dem Gnadauer Präses Christoph Morgner müsse man neidlos anerkennen, dass die Stimme des Papstes ein besonderes Gewicht habe.
Dazu ZDF-Moderator und Erfolgsautor Peter Hahne, das pietistische Aushängeschild mit dem katholischen Herzen: „Da kommt einer, der verkörpert, was die Jungen bei uns Elterngeneration vermissen: Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Ausstrahlung, Positionen, an denen man sich reiben kann, an denen man sich aber auch festhalten kann... Auch an uns... liegt es, dass das Feuer, das durch den Papst entfacht wurde, nicht verlischt". Und da mochten natürlich auch die kleineren Denominationen mit stark ausgeprägtem Minderwertigkeitskomplex wie Profilierungsbedürfnis nicht zurückstehen. Prediger Siegfried Großmann als Primus des deutschen Baptismus und zugleich als „Präsident der Vereinigung Evangelischer Freikirchen" war neben anderen nicht nur persönlich zur Audienz mit dem Lenker des römischen Imperiums geladen, sondern ließ darüber hinaus in einem Interview mit „Idea" verlauten: „Als Freikirchler verstehen wir uns sowohl als Partner wie als Alternative zur katholischen Kirche". Und: „Wir haben den Papst als Baptistenbund nach seiner Wahl angeschrieben mit den Worten: 'Sehr geehrter Papst Benedikt XVI., lieber Bruder in Christus'"
Zur Beschämung dieser Herren legte mit Bischöfin Margot Käßmann eine Frau in derselben Ausgabe genannten Magazins ungleich größeren Abstand zum Umschwärmten an den Tag. Sonst aber jauchzen Fromme wie Gottlose einer religiösen Führergestalt zu, die ihnen nach Theologie oder Moral so fern sein müsste wie der Morgen dem Abend. Auch die Million in Köln versammelter Jugendlicher war in Fragen der Keuschheit größtenteils anderer Ansicht und Praxis als der höchstrangige Referent aus dem Vatikan, was dem marktschreierischen Trubel um ihn aber keinerlei Abbruch tat. Denn der Mensch braucht ganz einfach Religion, die sich in einzelnen Personen manifestiert. Die mutieren dann geradezu zu Götzen, vor denen der erste Johannesbrief in seinem letzten Vers nachdrücklich warnt. In der griechischen Sprache des Neuen Testaments findet sich hier ein Ausdruck, der als eingedeutschtes Fremdwort allgemein bekannt ist - nämlich der Begriff “Idol”. Das symbolisiert eine bestimmte Sehnsucht, ohne jedoch mit dem konkreten Lebensvollzug des Bewunderers etwas zu tun zu haben.

Quelle: Schmidt, Klaus: Wort zur Zeit, Nummer 6, Crailsheim 2005, S.2